#219 | Raum und Zeit

Raum und Zeit sind untrennbar verknüpft. In der Physik. Aber auch in der demokratischen Teilhabe.

Ausgabe #219 | 14. März 2024

Raum und Zeit

Unsere Überschrift heute klingt ein wenig nach Physikunterricht. Und ganz ohne Physik werden wir auch nicht auskommen.

Tatsächlich geht es aber, wie immer, um Demokratie. Und Physik. Und Raum. Und Zeit.

Fangen wir mit letzterer an.

Was ist eigentlich Zeit?

Ausgerechnet Albert Einstein hat die physikalische Größenart Zeit mit einem verblüffend einfachen Satz beschrieben, der auch von einem Grundschulkind stammen könnte: “Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.”

Nun hat Einstein aber auch komplexere Aussagen produziert. Ganz besonders zum Thema Zeit. Vor allem in seiner legendären Relativitätstheorie.

Zur Zeit Einsteins ging einmal das Gerücht um, dass nur drei Menschen auf der Welt die Relativitätstheorie verstehen könnten. Tatsächlich sind es mehr.

Der Physiker Harald Lesch hat sie sogar so erklärt, dass Normalmenschen die Chance haben, sie zumindest grob zu erfassen.

Albert Einsteins Relativitätstheorie ist bekannt dafür, dass sie einige wirklich bizarre, aber tatsächlich existierende Phänomene vorhergesagt hat.

Dazu gehört, dass Astronaut*innen im Weltraum langsamer altern als Menschen auf der Erde und dass feste Gegenstände bei hoher Geschwindigkeit ihre Form verändern.

Im Grunde geht es darum, dass Zeit und Raum nicht voneinander zu trennen sind.
Daraus wiederum führt zu der Aussage, dass Zeit an jedem Ort und für jeden anders verläuft. „Überall, wo sich jemand befindet, kann der seine eigene Zeit definieren. Zeit ist etwas Lokales“ erklärte Kernphysiker Steffen Turkat von der TU Dresden im mdr kürzlich.

Und ja, jetzt biegen wir ab.

Und sprechen über Raum und Zeit in demokratischen Prozessen.

Denn auch dort hängen beide zusammen.

„Gute Bürgerbeteiligung braucht ausreichende Ressourcen“ lautet einer der zehn Grundsätze Guter Bürgerbeteiligung, die die Allianz Vielfältige Demokratie entwickelt hat. Ressourcen kann Geld bedeuten, aber auch Personal oder Wissen.

Ebenso wie Raum und Zeit.

Gerade diese beiden Ressourcen werden gerne vergessen. Oder im schlimmsten Fall sogar gegen Beteiligung ausgespielt.

Das zum Beispiel Bürgerbeteiligung Planungsprozesse generell verlangsamen würde, ist so eine Legende, die Kritiker*innen gerne erzählen.

Längst wissen wir, dass es genau umgekehrt sein kann.

Gute, frühzeitige Beteiligung kann große Infrastrukturvorhaben sogar beschleunigen. Das sagt zum Beispiel auch die Dialoggesellschaft – ein Zusammenschluss von Vorhabenträgern. Und die müssen es wissen.

In der Bundeshauptstadt Berlin hat unser Berlin Institut für Partizipation in den vergangenen Monaten die Bürgerbeteiligung evaluiert.

Dort haben sie ein besonderes Konzept: der sogenannte Raum für Beteiligung.

Es gibt ihn auf Ebene der Gesamtstadt, aber auch in zahlreichen Bezirken.

Dahinter steckt weit mehr als nur die Idee eines Versammlungsraums.

Tatsächlich werden die bezirklichen Räume für Beteiligung sehr unterschiedlich realisiert.

Manchmal sind es in der Tat gut ausgestattete Räumlichkeiten, in denen Beteiligungsprozesse umgesetzt werden können. Manchmal sind es eher Info- und Kontaktstellen zu Beteiligungsthemen.

In mindestens einem Fall klebt das Schild außen am Büro eines Beteiligungsdienstleisters. Und manchmal versteht sich der „Raum“ als Team von engagierten Menschen, die unterwegs sind, um aufsuchende Beteiligung zu organisieren.

Die einzelnen Bezirke haben dafür aktuell je 250.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Die Umsetzung soll jeweils in Kooperation zwischen Verwaltung und einem zivilgesellschaftlichen Partner erfolgen.

So besteht das Team des Zentralen Raums für Beteiligung aus zwei Teilen:

Der eine Teil (Mitarbeitende der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen) ist hauptsächlich für die Verwaltung zuständig und bearbeitet deren Fragen und Anliegen.

Der andere Teil (AG URBAN) ist in erster Linie der Kontakt für die Zivilgesellschaft. Durch die enge Zusammenarbeit im Team und nach außen wird eine Brücke zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung geschlagen. Gleichzeitig wird durch die Zweiteilung Neutralität z. B. bei Beratungen ermöglicht.

Tatsächlich ist die Umsetzung in den Bezirken manchmal ähnlich, manchmal anders. Mal stärker auf die Räumlichkeiten fokussiert, mal mehr auf die Beratung, mal steht die aufsuchende Beteiligung im Fokus.

Für die Berliner bedeutet „Raum“ für Beteiligung eben mehr als „Räumlichkeit“. Gemeint sind damit ganz bewusst auch zeitliche, finanzielle und personelle Spielräume. Ebenso wie politische Gestaltungsräume.

Denn der Raum, den Planungen und Prozesse für Beteiligung lassen, ist letztlich der entscheidende Faktor.

Beteiligung macht nur Sinn, wenn es Raum dafür gibt. Räumlichkeiten gehören dazu, sind aber nur ein Teil der Geschichte.

In Berlin haben sie das clever umgesetzt. Und zugleich in den Bezirken ebenso divers, wie die Stadtgesellschaft eben auch ist.

Das zeigt uns schon am Beispiel einer Stadt: Es gibt viele Wege, Beteiligung zu fördern. Keiner ist perfekt, aber viele können funktionieren. Hauptsache es gibt tatsächlich:

Raum für Beteiligung.

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