#266 | Ente gut, alles gut!

Wenn das Ende von Beteiligungsprozessen gut werden soll, sollten wir am Anfang an die Ente denken.

Ausgabe #266 | 6. Februar 2025

Ente gut, alles gut!

„Bauen Sie eine Ente.“ Das war die Anweisung an die Teilnehmenden eines Workshops, den ich vor einigen Tagen in Berlin leitete.

Es ging um Inklusion und Diversität in Beteiligungsprozessen. Und gleich zu Beginn wurde es praktisch.

Jede der 12 Teilnehmerinnen bekam genau sechs Klemmbausteine. Die mit den Noppen, deren dänischer Hersteller schnell klagt, wenn man den Namen ohne Lizenz nutzt.

Zwei rote Platten, vier gelbe Noppensteine und die Anleitung: „Bauen Sie eine Ente.“

Das Experiment hatte mir eine Kollegin empfohlen. Und es funktionierte auf Anhieb.

12 Menschen, identische Steine, die gleiche Aufgabe.

Nach 60 Sekunden hatten wir tatsächlich 11 sichtbar verschiedene Enten auf dem Tisch.

Nahezu alle Ergebnisse waren eindeutig Enten. Ein Ausreißer mit etwas Fantasie ebenfalls.

Wir haben die Kunststofftiere anschließend als Einstieg in die Frage genutzt, was eigentlich Diversität ist. Und was das für die einzelnen Enten – und Menschen – bedeuten kann. Bei kommenden Seminaren zum selben Thema sind die Enten jetzt gesetzt.

Sie sind aber noch aus einem anderen Grund für uns interessant.

Weil sie etwas verdeutlichen. Und das sehr eindrücklich.

Etwas, was in allen Beteiligungsprozessen eine Rolle spielt.

Der Umgang mit Input.

Was ist damit gemeint?

Wir neigen dazu, Prozesse – besonders gut geplante Prozesse – in Teilen wie eine Black Box zu behandeln. Ein System, bei dem es einen Input und einen Output gibt.

Wir machen uns viel Gedanken über den Input. Und um den erhofften, erwarteten oder auch angestrebten Output. Und wir erliegen dabei schnell der Erwartung, dass der Input entscheidend für den Output sei.

Das ist er nicht.

Denn was mit dem Input geschieht, wie er verarbeitet wird, dafür sind ganz andere Dinge entscheidend.

12 Menschen. Jeder nur sechs Bausteine. Jeder der gleiche Input – und nahezu 12 verschiedene Ergebnisse.
Eindrucksvoller können wir nicht visualisieren, dass Menschen mit exakt demselben Input völlig anders umgehen.

Entscheidend ist, was diese Menschen mitbringen, welches Bild – zum Beispiel einer Ente – sie selbst haben, was sie anspricht, wie ihre Kreativität funktioniert, welche Lösungsstrategien sie haben.

Und welches Bild sie von bestimmten Dingen haben.

Wenn nicht einmal eine Ente bei einer Gruppe von Menschen dieselben Bilder auslöst, wie ist es dann erst mit komplexen Fakten, anspruchsvollen Zahlen oder sensiblen Zusammenhängen?

Immer wieder höre ich in der Konzeption von Beteiligungsprozessen: „Wir müssen einen gleichen Wissensstand herstellen.“

Die Wahrheit lautet: Das geht nicht. Nur weil alle dieselben Fakten hören oder sehen, haben sie nicht dasselbe Bild vor Augen.

Das ist ein Problem. Aber nur, wenn man es nicht erkennt.

Teilnehmende „aufzuschlauen“, sie mit transparenten Informationen zu versehen, ist wichtig. Sogar notwendig.

Das ist die Grundlage für Deliberation. Zwischen Menschen mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema, die Herausforderung, das Problem oder den Konflikt.

Und das ist gut so.

Genau darum geht es in der Beteiligung. Nicht darum, die EINE Straße, die EINE Kita, den EINEN Plan in die Köpfe der Leute zu pflanzen. Sondern viele Ideen, Erwartungen, Fantasien in den Prozess zu holen.

Nur darum beteiligen wir.

Es sind viele Enten, die wir haben wollen. Je mehr und je unterschiedlicher, desto besser. Nur dann kann Beteiligung in all ihren Formaten gute Ergebnisse produzieren.

Deshalb ist es auch so wichtig, die einzelnen Enten zu Beginn gemeinsam kennenzulernen, zu betrachten, sie gemeinsam wert- aber auch abzuschätzen.

Nicht in jeder Beteiligung müssen wir am Anfang Enten bauen. Aber Formate nutzen, die die einzelnen Perspektiven der Teilnehmenden sichtbar machen.

Das ist neben den gemeinsamen Informationsgrundlagen die zweite Hälfte eines guten Beteiligungsauftakts.

Das braucht’s.

Deshalb lohnt es sich, wenn das Ende gut werden soll, am Anfang an die Ente zu denken.

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