Ausgabe #180 | 15. Juni 2023
Sag‘s dem Papst!
Bürgerbeteiligung boomt. Ein Grund dafür ist die schwindende Akzeptanz demokratischer Institutionen. Das ist nicht neu.
Neu ist auch nicht die schwindende Akzeptanz einer anderen Institution: der katholischen Kirche.
Nun ist die Kirche nicht wirklich eine demokratische Institution. Und sie ist in vielen Bereichen von Ritualen und Strukturen geprägt, die vor Jahrhunderten etabliert wurden.
Doch sie ist auf der Suche nach möglichen Antworten auf eben dieses Akzeptanzproblem. Was lag also näher, als es einmal mit Bürgerbeteiligung zu versuchen – oder zumindest etwas Ähnlichem?
So dachte man zum Beispiel auch im Erzbistum Köln. Bedingt auch durch zahlreiche Missbrauchsskandale waren in vier Jahren über 50.000 Menschen allein in Köln aus der Kirche ausgetreten.
Beteiligung sollte es also werden. Und richtig Geld wollte man dafür auch in die Hand nehmen. Was folgte, ist ein wunderbares Lehrbeispiel dafür, was Beteiligung heißt, aber keine Beteiligung ist.
Eine digitale „Beteiligungsplattform“ wurde eingerichtet. Gläubige durften ihre Meinung zur Kirche insgesamt, aber auch zu unterschiedlichen Fachthemen hinterlassen.
Tatsächlich machten nicht Wenige davon Gebrauch. Rund 1.700 Menschen platzierten Ideen, Kommentare und Kritik – auch weil dies zum Teil in den schulischen Religionsunterricht integriert wurde.
Sechs Wochen war die Plattform online, dann wurde sie deaktiviert. Die Ergebnisse wurden vom Dienstleister aufbereitet, strukturiert und gewichtet und den Verantwortlichen zugestellt.
Dort sollen sie Thema auf einer Versammlung gewesen sein, deren Ergebnisse dann wieder über die deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit ähnlichen Prozessergebnissen aus anderen Ländern nach Rom weitergereicht wurden.
So weit, so gut. Oder nicht gut. Denn Beteiligung war das natürlich nicht. Zu keinem Zeitpunkt. Und auch keiner der anerkannten 10 Grundsätze Guter Beteiligung wurde umgesetzt.
Warum?
Weil es zunächst einmal keine Beteiligung, sondern eine Konsultation war. Das aber ist unabhängig davon, welche Variation der diversen „Beteiligungsleitern“ man heranzieht, allenfalls eine Vorstufe von Beteiligung, manche nennen es auch eine Vortäuschung.
Weil kein Dialog stattfand, schon gar kein Dialog zwischen Beteiligten und Entscheidern. Beteiligung ist aber per definitionem Dialog mit Wirkungsanspruch.
Weil keine Wirkung transparent gemacht wurde. Wie die Vorschläge letztlich weiterverarbeitet werden, was damit geschieht, blieb offen.
Weil keine Transparenz existierte. Auch im Nachhinein haben die Vorschlagenden nicht erfahren, was aus ihren Beiträgen geworden ist. Ob sie umgesetzt wurden oder ggf. warum nicht.
So begrüßenswert es ist, dass eine autoritäre Institution wie die katholische Kirche ihre Beitragszahler*innen (erstmals) nach ihrer Meinung fragt, so fatal ist die kommunikative Begleitmusik.
Als „innovatives Beteiligungsformat“ verkauft, bot der Prozess weder Innovation noch Beteiligung. Und auch keinen Dialog.
Der Gipfel der Mogelpackung war daher auch der Titel des Prozesses: „Sag’s dem Papst“.
Er weckte die Illusion, der bzw. die Einzelne hätte eine Chance, dem Oberhaupt der Katholiken mehr oder weniger direkt seine Meinung zu kommunizieren.
Angesichts der zahlreichen Filter und Abstufungen ist nicht davon auszugehen, dass eine nennenswerte Zahl der Mitwirkenden mit ihrem Beitrag irgendwie auch nur in die Nähe des Heiligen Stuhls gekommen ist.
Auch die Vorschläge selbst sind aktuell nicht mehr einsehbar. Die Webseite des Projektes ist offline.
Bei den Schäfchen im Erzbistum Köln scheint es auch nicht wirklich überzeugt zu haben. Im Frühjahr 2022 wurde „beteiligt“. Bis Jahresende sind über 20.000 weitere Gläubige ausgetreten. Mehr als in den Jahren 2016-2018 zusammen.
Was wir daraus lernen können?
Beteiligung muss nicht nur gut gemacht sein. Sie muss vor allem ernst gemeint sein.
Sonst nützt sie nichts.
Ich fühle mich mitgenommen von einer Kommunität, die sich über das Internet so organisiert hat, dass ich mich immer und überall in dem Maß beteiligen kann, für das ich eintrete und in dem Umfang, in dem ich mich interessiere. Rückinformation über meine Beteiligung an einem Entwicklungsprozess durch das persönliche Engagement vieler Menschen, erhalte ich durch ein Netzwerk, dem ich mich ganz bewusst angeschlossen habe, indem ich ihm beitrete und es nicht fordere. Dieses Netzwerk wächst an Menschen in seiner Anzahl durch ihr persönliches Engagement, was wiederum der Beteiligung an dem Auftrag geschuldet, der sich aus Jesus Christus ergibt. Wir gehen nicht nur mit ihm durch dick und dünn, es ist für alle von uns selbstverständlich, dass er in dem, was wir tun, seine Gegenwart immer selbst vermittelt. Dadurch sind wir um den Part entlastet, der sich aus Gott ergibt und nichts mit dem Menschen zu tun hat.