#241 | Big Bang 2.0

Ob TV-Serien oder Beteiligungs-Gremien – Konzept und Besetzung müssen zusammen passen.

Ausgabe #241 | 15. August 2024

Big Bang 2.0

Sie war über einen langen Zeitraum die erfolgreichste Sitcom.

Kaum eine hatte so viele Folgen und so viele Länder, in denen sie ausgestrahlt wurde.

Zuletzt bekamen die Hauptdarsteller*innen eine Million Dollar pro Folge.

Und doch hätte alles ganz anders kommen können.

The Big Bang Theory, die Serie um den hochbegabten und sozial völlig inkompetenten jungen Physiker Sheldon Cooper, begleitete eine ganze Generation junger Menschen.

Die Besetzung erwies sich als genial. Sheldons schüchterner Mitbewohner Leonard und vor allem die von ihm bewunderte Nachbarin Penny sorgen für aberwitzige Situationen und Dialoge.

Genau die hätte es beinahe nie gegeben.

Ursprünglich sollte Penny Katie heißen. Gespielt sollte sie von Amanda Walsh werden. Und zwar als „psychisches Wrack“. Sheldons Rolle dagegen war weniger schräg. Der Humor völlig anders.

Woher wir das wissen?

Weil Big Bang tatsächlich zunächst so umgesetzt wurde. Die Pilotfolge schaffte es aber nie ins Fernsehen – denn sie fiel bei den Studio-Bossen krachend durch.

Doch es gab – selten genug im Film-Business – eine zweite Chance: Das Skript wurde geändert. Kaley Cuoco als Penny neu eingebaut.

Der Rest ist TV-Geschichte.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass inhaltliche Ausrichtung und Personal zusammen funktionieren müssen.

Nicht nur im Fernsehen.

Sogar im Bereich der politischen Teilhabe erleben wir immer wieder, dass inhaltliche Konzepte und personelle Besetzung nicht wirklich gut korrespondieren.

Daraus entstehen Frust und Konflikte, die eigentlich so gar nicht nötig wären.

Besonders häufig erleben wir das in Gremien, die es in unterschiedlicher Ausprägung in vielen beteiligenden Kommunen gibt.

Beteiligungsbeiräte.

Sie werden immer wieder empfohlen, auch von der Allianz Vielfältige Demokratie. Und tatsächlich können sie viele positive Effekte haben.

Doch in der Praxis ist es komplizierter. Im Rahmen zahlreicher Evaluationen des Berlin Instituts für Partizipation wird immer wieder Frustration innerhalb solcher Gremien artikuliert.

Dabei ist die Idee durchaus attraktiv.

In der Regel werden solche Gremien über einen längeren Zeitraum besetzt, oft trialogisch. Das meint: Drei Akteursgruppen sollen miteinander in den Austausch kommen.

Mitglieder der Verwaltung, des Kommunalparlamentes und Bürger*innen diskutieren über die Entwicklung der Beteiligung, gestalten die Rahmenbedingungen und sichern so Qualität und Relevanz der Beteiligungsprozesse.

Klingt gut.

Funktioniert in der Praxis aber manchmal eher mittelmäßig.

Die Entwicklungen sind dabei unterschiedlich, ein Klassiker ist jedoch das „Feedback durch Abwesenheit“. Politische Vertreter*innen werden oft nach der Anfangsphase über Monate nicht gesehen. Akteur*innen aus der Verwaltung lassen sich – wo rechtlich möglich – vertreten oder bleiben ebenfalls weg.

Und dort, wo bei der Wahl (oder dem Losverfahren) für Bürger*innen eine Nachrückerliste angelegt wurde, ist diese oft noch vor dem Ende der Wahlperiode bis zur letzten Person ausgeschöpft.

Das ist nicht überall so.

Manchmal ist es auch nur eine Gruppe, die kaum präsent ist.

Manchmal sind es zwei.

Manchmal sind nach einigen Monaten die Bürger*innen fast unter sich.

Die Evaluationen führen dabei fast immer zu einem strukturell ähnlichen Ergebnis:

Die Aufgaben des Gremiums und die Besetzung passen nicht zusammen. In den meisten Fällen liegt es daran, dass die Aufgabenbeschreibungen zu unkonkret sind. Das führt zu unterschiedlichen Erwartungen. Die dann fast zwangsläufig zu Enttäuschungen werden.

Hin und wieder ist die Aufgabenbeschreibung auch hinreichend konkret, aber zu umfangreich. Da soll dann zum Beispiel ein Gremium, in dem die Hälfte der Menschen bewusst zufällig ausgewählt wurde, die Verwaltung bei der Wahl geeigneter Beteiligungsformate beraten.

Oder die Qualität der Beteiligung evaluieren.

Oder komplexe Beteiligungskonzepte entwickeln.

Das überfordert solche Gremien schnell. Genauso wie das gegenteilige Setting. Tatsächlich gibt es Leitlinien, in denen als Aufgabenbeschreibung für einen Beteiligungsbeirat steht: „Der Beirat begleitet die Arbeit der Fachstelle für Beteiligung.“

Solche Beiräte haben ein hohes Potential, zu scheitern.

Das muss nicht sein.

Eine Kommune kann auch ohne Beirat gute Beteiligung sicherstellen.

Und sie kann es auch mit einem Beirat. Entscheidend ist lediglich, dass vorab Rollen, Funktionen und Aufgabenprofile transparent geklärt sind. Es muss klar sein, wer wann nach welchen Kriterien Beteiligung initiiert, konzipiert, realisiert und evaluiert.

Ein Beirat kann in diesem System ganz unterschiedliche Rollen haben – und entsprechend auch eine unterschiedliche Zusammensetzung.

Dabei gilt die Regel: Weniger ist mehr. Konkrete und eindeutig formulierte Aufgaben helfen bei der Besetzung – und bei einem angemessenen Erwartungsmanagement.

In der Praxis gibt es hier zahlreiche denkbare Konstruktionen. Als erfolgreich haben sich vor allem die folgenden drei Ausprägungen von Beiräten erwiesen:

Ein Beirat als Evaluationsgremium konzentriert sich auf die Betrachtung abgeschlossener Beteiligungsprozesse und organisiert öffentliche Debatten über Verbesserungsmöglichkeiten. Er ist in der Regel trialogisch besetzt.

Ein Beirat als Beteiligungsformat besteht zumeist ausschließlich aus gewählten und/oder gelosten Bürger*innen. Er diskutiert über einen kürzeren Zeitraum (6 bis 12 Monate) jeweils einen konkreten Aspekt der Stadt- oder Gemeindeentwicklung tiefer unter Hinzuziehung von Expert*innen und formuliert ggf. auch Empfehlungen.

Ein Beirat als Beratungsgremium befasst sich mit von der Verwaltung eingebrachten Beteiligungskonzepten für anstehende kommunale Projekte. Dabei spricht er insbesondere über Maß und Ziel der Bürgerbeteiligung. Er ist zumeist trialogisch besetzt, manchmal auch dialogisch mit Akteur*innen der Verwaltung und der Bürgerschaft.

Denkbar sind auch ganz andere Kombinationen. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Allerdings Erfolgsfaktoren:

Klar definierte Aufgaben, eine korrespondierende Besetzung und eine klare Formulierung der Einflussmöglichkeiten für jede beteiligte Gruppe.

Werden diese drei Faktoren bei der Konzeption eines Beirats bedacht, steigt dessen Erfolgschance deutlich. Dann gilt uneingeschränkt:

Gute Beiräte können gute Beteiligung besser machen.

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