#247 | Traurige Bananen

Ausgerechnet von Bananen können wir lernen, wie man Menschen für politische Teilhabe gewinnt.

Ausgabe #257 | 5. Dezember 2024

Traurige Bananen

Der Mensch ist zur Hälfte eine Banane.

Tatsächlich ist rund die Hälfte unseres Erbgutes auch in der tropischen Frucht zu finden.

Vielleicht reagieren wir deshalb so sensibel auf diese Früchte. Eine internationale Forschungsgruppe hat nämlich interessante Ergebnisse ermittelt.

Untersucht wurde das Kaufverhalten von fast 4.000 Kund*innen in einem deutschen Supermarkt. Im Fokus: einsame Bananen.

Also jene Früchte, die nicht mehr mit anderen in einem Büschel zusammenhingen.

Normalerweise werden diese seltener gekauft. Manche Kund*innen neigen sogar dazu, eher eine einzelne Frucht aus einem Büschel zu brechen, als eine einzelne Banane zu kaufen.

In diesem Supermarkt stand zunächst ein Korb, in dem ausschließlich Einzelstücke lagen. Daran befestigt ein Schild, das zum Kauf animierte.

Im Schnitt wurden pro Stunde 2,02 Bananen gekauft.

Dann fügten die Wissenschaftler*innen ein Schild hinzu mit einer tieftraurig guckenden Banane und dem Text: „Wir sind traurige Singles und möchten gekauft werden.“

Die Verkäufe stiegen sofort um knapp 60 Prozent.

Traurige Bananen verkaufen sich also besser.

Natürlich liegt das nicht an der weitläufigen genetischen Verwandtschaft zwischen Menschen und Bananen. Auch nicht daran, dass die Kund*innen tatsächlich glauben würden, Bananen könnten Trauer empfinden.

Dahinter steckt ein in der Psychologie bekanntes Phänomen: Menschen, die erfahren, dass sie gebraucht werden, sind deutlich eher bereit, zu agieren.

Das mag spannend für Einzelhändler sein, die Bananen verkaufen wollen.

Es ist aber besonders spannend für den Bereich der politischen Teilhabe.

Dort geht es nicht um Produkte oder Verkäufe. Wohl aber um ein Angebot, das letztlich viel mit der Banane gemein hat.

Auch in der Beteiligung bekomme ich etwas, muss dafür aber etwas investieren. Das kann Zeit, Wissen, Bereitschaft zum Diskurs oder Frustrationstoleranz sein. Also schnell ein durchaus stattlicher „Preis“.

Der Gegenwert für diese Investition ist dagegen oft nicht so klar. Deshalb ist die eindeutige Kommunikation der Wirkungsspielräume so wichtig. Und ein Thema, das wir in diesem Newsletter schon mehrfach diskutiert haben.

Doch selbst, wenn Investment und Ertrag klar kommuniziert werden, ist noch immer nicht sicher, ob das Angebot auch wirklich angenommen wird.

Jeder Faktor, der diese Annahme fördert, ist also interessant.

Das macht die Haltung so wichtig, mit der das Angebot offeriert wird.

Wird Beteiligung als „freundliche Geste“ von Politik oder Verwaltung verstanden? Als etwas, worauf die Menschen kein recht haben; das ihnen quasi als großzügige Geste offeriert wird? Gar als eine Art „Almosen“?

Dann sind viele Menschen dafür schwer zu gewinnen. Denn sie wissen ja, dass es die eventuelle, hypothetische Wirksamkeit nur gegen konkrete emotionale, soziale oder zeitliche Investition gibt.

Warum also nicht diesen Sachverhalt konkret adressieren? Verbunden mit einer genau umgekehrten Haltung:

Nicht die Bürger*innen bekommen ein „Beteiligungsgeschenk“ vom Staat. Sondern: Der Staat braucht die Bürger*innen.

„Wir brauchen euch!“

Genau diese Aussage lässt Menschen hellhörig werden. Weil sie Respekt zeigt, Anerkennung, Wertschätzung. Und damit alles, was eine gesunde Haltung zu Beteiligung ausmacht.

Das ist nicht nur ein cleverer Marketing-Move, sondern prägt in seiner Haltung schnell einen gesamten Prozess.

„Wir brauchen dich, dein Wissen, dein Engagement, deine Kreativität und deine kritische Einstellung.“

Das ist nicht nur die bestmögliche Einladung zu jedem Beteiligungsprozess. Es ist auch Inspiration für die Wahl der Formate, die Bereitstellung der Informationen, die Sprache der Moderation und ganz besonders:

Für den Umgang mit den Ergebnissen.

Wer die Beteiligung der Bürger*innen braucht, der geht auch respektvoll mit ihren Ergebnissen um. Wer sie aus anderen Gründen macht, der braucht sie nicht.

Und das führt dann schnell zu Beteiligung, die auch die Bürger nicht brauchen.

Dieser Ansatz hilft schon bei der Einladung. Der erste Satz könnte so lauten (Originalbeispiel):

„Unserer Gemeinde ist es ein wichtiges Anliegen, dass die historisch bedeutenden Gebäude in Zukunft weiterhin angemessen, sinnvoll und nachhaltig genutzt werden und dabei auch den Menschen aus der Gemeinde sowie unseren Gästen zur Verfügung stehen und einen Mehrwert bieten, deshalb laden wir alle interessierten Bürgerinnen und Bürger dazu ein, uns ihre Ideen und Anregungen für die zukünftige Nutzung des XYZ Areals einzureichen …“

Oder so:

„Wir brauchen dich! …“

Es geht vordergründig um Wörter. Tatsächlich aber geht es vor allem um Haltung.

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