#267 | Die Enzyklopädie der Idiotie

To-Do-Listen kennen wir alle. In der demokratischen Teilhabe ist eine andere Liste aber ebenso wichtig: Die Not-To-Do-Liste.

Ausgabe #267 | 13. Februar 2025

Die Enzyklopädie der Idiotie

Der Mann, der bis heute einen wesentlichen Teil unseres Lebens prägt, wurde 1955 geboren. Unter denkbar widrigen Umständen.

Abdulfattah Jandali, ein in den USA lebender Syrer, war sein Vater. Die deutschstämmige Joanne Carole Schieble seine Mutter. Beide Elternteile wollten keine Eheschließung. Das Kind, noch ohne Namen, musste zur Adoption freigegeben werden.

Die Mutter wollte unbedingt Akademiker als Eltern, um ihrem Sohn eine gute Bildung und Aufstiegschancen zu ermöglichen. Doch die vorgesehene Anwaltsfamilie machte im letzten Moment einen Rückzieher.

Also landete das Kind bei einer wenig gebildeten Familie: Der neue Adoptivvater hatte nicht einmal einen Highschool-Abschluss. Der Start ins Leben war also etwas holprig für den Jungen, der von seinen neuen Eltern die Vornamen Steven Paul erhielt.

Später kannten ihn alle als Steve.

Steve Jobs sollte einer der erfolgreichsten Unternehmer in der Digitalbranche werden und mit seiner Firma Apple unzähligen Innovationen zum Durchbruch verhelfen.

„Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben.“
Steve Jobs

Den Wunsch seiner Mutter erfüllte er zunächst nicht. Er galt zwar schon als Kleinkind als besonders begabt, übersprang eine Klasse – brach dann aber sein College-Studium nach dem ersten Semester ab. Er konsumierte Drogen, reiste nach Indien, widmete sich dem Buddhismus und trieb sich ziemlich rum.

Bis er schließlich 1976 mit dem Computergenie Steve Wozniak Apple gründete.

Der Rest ist Geschichte.

Steve Jobs war Zeit seines Lebens umstritten. Viele Menschen, die ihn kannten, vergötterten ihn, andere hielten ihn für sozial inkompetent. Er verlangte von seiner Umgebung permanent Spitzenleistungen, förderte aber auch Kritik.

Als Manager machte er in den Anfangsjahren viele Fehler, wurde sogar aus seinem eigenen Unternehmen geworfen, kehrte Jahre später zurück und startete dann so richtig durch.

Als er 2011 mit nur 56 Jahren an Krebs starb, hatte er der Welt den PC, das Notebook, die Maus, das Smartphone, den ersten computeranimierten Kinofilm und den digitalen Musikkonsum beschert.

Nichts davon hatte er technisch erfunden.

Aber er hat es den Menschen nahegebracht, die anfangs oft gar nicht wussten, dass sie es haben wollen.

Wie konnte ein Mensch in einer so kurzen Lebensspanne so viel erreichen?

Steve Jobs konzentrierte sich stets auf das, was ihm gerade wichtig war. Alles andere ignorierte er. Wenn etwas nicht funktionierte, machte er stets zwei Dinge:

Er beendete das Projekt. Und er hielt fest, was er daraus gelernt hatte und was er in Zukunft vermeiden wollte. Denn für ihn galt: „Die Entscheidung, was nicht zu tun ist, ist genauso wichtig wie die Entscheidung, was zu tun ist.“

Diese Strategie haben viele erfolgreiche Menschen gemeinsam. Der bekannte Ratgeberautor Rolf Dobelli (Die Kunst des klugen Handelns) sammelte viele Jahre Geschichten von Misserfolgen – Fehlschläge im Leben, in Karrieren, Ehen und Familie.

Vor kurzem präsentierte er diese in einem neuen Buch. Er nannte es die Not-To-Do-Liste.

In seinem Vorwort schreibt er:

„In meinen früheren Büchern habe ich Ratschläge für klares Denken, kluges Handeln und ein besseres Leben gegeben. In diesem Buch drehe ich den Spieß um. Ich präsentiere Ihnen die wichtigsten Verhaltensweisen und Denkmuster, die man besser vermeidet – eine Not-To-Do-Liste oder, anders ausgedrückt, eine Art Enzyklopädie der Idiotie. Wenn man diese Verhaltensweisen und Denkmuster kennt, kann man sie umschiffen. Denn ich habe in meinem Leben oft erfahren: Statt dem Glück hinterherzujagen, ist es viel leichter und besser, die Dinge zu beseitigen, die den Weg zum Glück verbauen.“

Nun ist Dobelli immer daran interessiert, konkrete Lebenshilfe zu vermitteln. Uns interessiert die Idee der Not-To-Do-Liste in einem anderen Zusammenhang.

Was Unternehmen und Unternehmer erfolgreich macht, kann möglicherweise auch im Kontext demokratischer Teilhabe vorteilhaft sein.

Denn auch dort gilt: Wir lernen aus Erfahrung.

Und Erfahrung heißt eben auch: Manchmal funktioniert es nicht so, wie geplant.

Manchmal organisieren wir mit großer Begeisterung Angebote, die nicht angenommen werden. Manchmal stellen wir mitten im Prozess fest, dass wichtige Akteure fehlen.

Manchmal sind die Informationen nicht so aufbereitet, dass sie von den Beteiligten verarbeitet werden können. Manchmal haben wir zu viel geplant und müssen spontan davon abweichen.

Manchmal bauen wir Hürden auf, die manche Beteiligtengruppen hemmen oder gar ausschließen. Manchmal haben wir schlicht die falsche Methode gewählt.

In der Beteiligung ist nicht alles, was nicht nach Plan läuft, ein Fehler. Aber immer kann es ein Anlass dazu sein, darüber nachzudenken, was man beim nächsten Mal anders tun kann. Oder einfach nicht tut.

Im Grunde sollte jede Institution, die beteiligt, und jeder Mensch, der Beteiligung plant, organisiert oder moderiert eine Not-To-Do-Liste haben.

Dabei wird jede dieser Listen anders aussehen.

Ja, es gibt No-Gos, die immer gelten. Die Beteiligten über die Verbindlichkeit der Ergebnisse zu belügen, gehört dazu. Ebenso wie manipulative Informationen.

Genauso wichtig für eine immer besser werdende Beteiligungspraxis sind aber auch die selbst erarbeiteten Not-To-Dos.

Manche Moderierenden bekommen zum Beispiel extrovertierte Teilnehmer*innen gut integriert. Andere setzen lieber bewusst Einstiegsmethoden ein, die ausgleichend wirken, indem sie auch die Stillen von Anfang an wirksam werden lassen.

Manche haben gute Erfahrungen mit der Teilnahme von Entscheider*innen in den Prozessen gemacht, bei anderen steht ein „Ausgiebiges Grußwort des Oberbürgermeisters“ ganz bewusst auf der Not-To-Do-Liste.

Eine Not-To-Do-Liste ist vor allem deshalb wichtig, weil sie ein Instrument zum Lernen aus Erfahrung ist.

Und das ist in der Beteiligung nun mal unumgänglich.

Wenn sie gut werden soll.

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