Ausgabe #311 | 18. Dezember 2025
Ein Sandwich mit Potenzial
Es besteht aus drei Schichten Toastbrot, gut geröstet. Butter braucht es nicht, dafür reichlich Mayonnaise. Belegt wird es mit Hühnchenbrust, knusprig gebratenem Speck, frischen Salatblättern und in der Regel auch Tomatenscheiben.
Es ist nichts für vegan, vegetarisch oder auch nur gesund lebende Menschen. Für andere ist es: lecker.
Die Rede ist von der Mutter aller Sandwiches, dem weltbekannten Klassiker.
Das Club-Sandwich.
Wussten Sie, dass das „Club“ im Sandwich ein Akronym sein soll? Also ein aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Kurzwort?
„Huhn und Salat unter Speck“ ist die Quelle, auf Englisch: „Chicken and Lettuce Under Bacon“ – ergibt als Akronym CLUB.
Die Geschichte ist gut und wird deshalb immer wieder in Kochshows, auf Social Media und bei Partys erzählt.
Doch wie es mit guten Geschichten eben ist: Meist sind sie zu gut, um wahr zu sein. Auch für diese hier gibt es keinen Beleg außer „dem Internet“. Und was wir davon als Quelle zu halten haben, wissen wir alle.
Die tatsächlichen Ursprünge des Club-Sandwiches sind unklar. Die meisten Spuren führen ins 19. Jahrhundert zurück, zumindest wurde es damals im Saratoga Club House im Staat New York serviert.
Dort saß die (männliche) gesellschaftliche Elite oft stundenlang am Spieltisch – da war so ein Sandwich nebenher genau das Richtige.
Heute gibt es das Sandwich in tausend Variationen, was immer bleibt, ist das Grundkonzept: Zwischen (mindestens) zwei Scheiben Brot liegt irgendeine Art von Belag.
So hat es der Begriff auch in viele andere Bereiche geschafft.
Im Baubereich kennen wir Sandwich-Platten, die auf beiden Seiten eine oft metallische Oberfläche haben, zwischen denen ein Isolationsmaterial klebt. Ein Sandwich-Vertrag im Filmbusiness kombiniert den Erwerb von Ausstrahlungsrechten an Blockbustern mit drittklassigen Ladenhütern, auch die Mathematik kennt das Sandwich-Theorem.
Im Management gibt es das sogenannte Sandwich-Feedback. Es ist eine Technik, bei der Kritik zwischen zwei Schichten positiven Feedbacks geäußert wird.
Die Methode ist schon älter, war lange beliebt, wird in jüngster Zeit aber zunehmend kritisiert.
Zum einen wird bemängelt, dass Kritik dabei als „negativ“ gesehen wird. Andere mahnen, dass die Kritik nicht ankäme, wenn sie zwischen zu viel Lob versteckt würde. Dritte wiederum befürchten, dass so die Wirkung des Lobs geschmälert werden könnte.
Personalchefs berichten, dass die Methode insbesondere bei jüngeren Mitarbeitenden der Generation Z gemischte Gefühle erzeugen und als „unauthentisch“ wahrgenommen würde.
Die Kritik ist berechtigt, berücksichtigt aber eine wesentliche Wirkung dieser Feedback-Form nicht:
Wer sich als Vorgesetzte/r auf ein solches Sandwich-Feedback vorbereitet, ist gezwungen, Positives zu suchen, und das gleich mehrfach. Genauso wie Kritik – und die darf und soll ruhig klar formuliert sein.
Gutes Sandwich-Feedback reiht auch nicht nur Lob, Kritik, Lob aneinander, sondern stellt Verbindungen her – die es immer gibt.
Der besondere Wert des Sandwich-Feedbacks liegt also in der Wirkung auf die kritisierende Person und auf die Bewusstwerdung von Rückkopplungen zwischen Erfolgen und Misserfolgen, Stärken und Schwächen, Potenzialen und Gefahren.
Genau das macht die Sandwich-Methode so spannend für Formate der Beteiligung.
Ganz besonders dann, wenn es um Themen mit Konfliktpotenzial geht, um Vorhaben, die nicht nur Begeisterung auslösen, um unterschiedliche Interessen und Erwartungen.
Während bei klassischen Formaten wie Bürgergutachten am Ende oft eine mehr oder weniger konsistente Liste von Empfehlungen oder gar Forderungen steht, steuert die Sandwich-Methode auf eine andere Art von Ergebnis zu:
Hier wird zunächst herausgearbeitet, welche positiven Auswirkungen ein Vorhaben haben könnte, welches Ziel damit verbunden ist, welche Hoffnungen und positiven Erwartungen. Auch wenn es vorwiegend jene des Vorhabenträgers sind – es ist legitim.
Im zweiten Teil (bzw. prozessual im zweiten Schritt) wird die Kritik daran formuliert, kommen auch Sorgen, Befürchtungen, Risiken auf den Tisch.
Spannend wird Phase/Teil 3: Jetzt geht es darum, wie aus Erwartungen und Befürchtungen am Ende ein verbessertes Konzept entwickelt werden kann. Das deshalb besser ist, weil es die Kritik ernst nimmt und Antworten darauf liefert.
Das Sandwich als Beteiligungsformat gibt uns also ein Rezept in die Hand, mit dem Gute Beteiligung möglich ist und gute Ergebnisse produzieren kann.
Weil es die Motive der Beteiligenden und der Beteiligten ernst nimmt, sammelt, abbildet und als wertvolle Beiträge nutzt. Weil es Vorhaben und Beteiligte nicht gegeneinander in Stellung bringt, aber zugleich keine Konflikte zukleistert.
Ob die drei Phasen in einem Rutsch durchgeführt werden oder zum Beispiel in drei Veranstaltungen, hängt von der Zahl der Beteiligten und der Komplexität des Themas ab. Die einzelnen Diskursformate sind dabei flexibel, viele Tools aus der Beteiligung damit verknüpfbar.
Sogar in hierarchischen Strukturen wie Unternehmen oder Verwaltungen ist das Sandwich erfolgreich umsetzbar. Gerade hier ist ja Kritik immer mit einem besonderen Anspruch an Konstruktivität verbunden.
Wenn wir also das nächste Mal in ein Sandwich beißen, egal ob CLUB oder in eine der überaus leckeren veganen oder vegetarischen Alternativen …
… denken wir daran, welch Potenzial hinter dem Konzept steckt.