Ausgabe #134 | 28. Juli 2022
Unternehmen Stardust
Sie hat Generationen junger Menschen gefesselt. Erstmals erschienen ist sie im Jahr 1961. Geplant waren nur 30 Ausgaben. Doch selbst heute, über 60 Jahre später, gibt es jede Woche eine neue Ausgabe. Aktuell ist die Nummer 3179 im Handel.
Sie ahnen es bereits? Wir sprechen von Perry Rhodan, der weltweit erfolgreichsten Science-Fiction Heftromanreihe.
Hunderte von Autor*innen haben zu ihr beigetragen. In meinen Anfangsjahren als Autor habe ich sogar einmal eine Perry Rhodan Kinderbuchreihe für den Verlag entworfen (die nie realisiert wurde) und Comic-Scripte verfasst (die realisiert wurden).
Auch mich hat die Reihe fasziniert, als Leser und als Autor.
Zwar gelten Heftromane nicht gerade als anspruchsvolle Literatur. Aber die Serie hat immer wieder spätere Entwicklungen vorweggenommen.
Und das oft schon Jahrzehnte, bevor sie gesellschaftlich relevant wurden.
Schon im allerersten Heft „Unternehmen Stardust“ trifft Perry Rhodan, amerikanischer Astronaut bei der ersten Mondlandung, auf Außerirdische. Die Angehörigen einer fremden, aber den Menschen verwandten Rasse namens „Arkoniden“ sind jedoch völlig degeneriert.
Sie verbringen den größten Teil des Tages in sogenannten „Fiktivspielen“ in einer künstlich erschaffenen virtuellen Welt.
Geschrieben wurde das Manuskript Anfang der 60er-Jahre, als es weder Internet noch Computer für Normalbürger gab – und das Fernsehen in Deutschland noch Jahre in Schwarz-Weiß vor sich hatte.
Heute ist das sogenannte „Metaversum“ von Facebook-Chef Mark Zuckerberg der heißeste Trend der Branche. Es existiert noch nicht, aber die Investoren stehen Schlange.
60 Jahre nach den fiktiven Arkoniden können wir uns nun darauf freuen, bald in dieser virtuellen Welt gemeinsam degenerieren zu dürfen.
Tatsächlich beschäftigen wir uns im Berlin Institut für Partizipation intensiv mit diesem Trend – und seinen Risiken und Chancen für politische Teilhabe.
Die Analysen stehen noch am Anfang, aber sie versprechen spannend zu werden.
Einen positiven, beteiligungsorientierten Ansatz zur Nutzung dieses Trends hat ein aktuelles Projekt mit dem Titel „Connected Urban Twins (CUT)“: Die drei Großstädte Hamburg, Leipzig und München wollen darin gemeinsam in den kommenden Jahren so genannte „Digitale Zwillinge“ ihrer Städte entwickeln.
Digitale 3D-Modelle gibt es bereits von vielen Städten, mehr oder weniger detailliert, mehr oder weniger realistisch, mehr oder weniger nützlich.
Die Digitalen Zwillinge der Zukunft sollen systematisch mit realen Daten gefüttert werden. Modell und Daten gemeinsam führen so zu einem realistischen Abbild der Stadt.
Das Anspruchsvolle ist die Zeitachse. Denn Städte sind ständig in Veränderung. Digitale Zwillinge bilden diese Dynamik ab und entwickeln sich mit der Stadt weiter.
Gelingt es, nicht nur realistische, datenbasierte Zwillinge zu entwerfen, sondern diese Daten auch in Echtzeit immer wieder zu aktualisieren, sind die Möglichkeiten sensationell.
Infrastrukturvorhaben können konkret erprobt, Verkehrsflüsse simuliert werden. Architekten können ihre Modelle direkt in die digitale Stadt setzen. Starkregenereignisse, Hitzewellen – alles kann seriös untersucht und entsprechend städtebaulich berücksichtigt werden.
Verständlich, dass Stadtplaner*innen und Architekt*innen diese Perspektiven sensationell finden. Sie bieten aber auch ungeahnte Möglichkeiten für Teilhabe.
Denn plötzlich können nicht nur Verwaltungen ihre Vorhaben visualisieren – Bürger*innen können ihre alternativen Ideen ebenso erproben und so Augenhöhe herstellen.
Daten werden transparent – und das auf eine Art, die auch Nichtakademiker verarbeiten können.
Es wird noch einige Jahre dauern, bis diese Vorstellungen Realität werden. Und die Erfahrung zeigt, dass das demokratiefördernde Potential von Technik selten von alleine Realität wird.
Auch die Frage, wie demokratisch die urbanen Zwillinge werden, bedarf noch gesellschaftlicher Aushandlung und wird nicht konfliktfrei verlaufen.
Das Potential jedenfalls ist enorm.
Stellen wir es klug an, werden unsere virtuellen Räume die Gesellschaft beleben – und nicht paralysieren, wie es mit großer Wahrscheinlichkeit in Mark Zuckerbergs Vision geschehen könnte. Denn wenn wir eines aus Portalen wie Facebook lernen können, ist es dies:
Auch virtuelle Welten sind nicht machtfrei.
Sie brauchen demokratische Strukturen und Träger. Sonst tragen sie nicht zum Gemeinwohl bei, sondern zu Spaltung und sozialer Kälte.
Eben deshalb sind Projekte wie CUT so wichtig. Damit es uns am Ende nicht so ergeht wie den Arkoniden, deren Schicksal vor mehr als einem halben Jahrhundert von den Perry Rhodan Autoren gnadenlos konsequent beschrieben wurde.
Aufgrund ihrer Apathie und ihres Realitätsverlustes wurden sie schließlich als dominante Spezies im Universum abgelöst:
Von den Menschen.
Mal sehen, ob wir es besser hinbekommen.
Sehr geehrter Herr Sommer,
Sie haben da leider was vergessen:
– Herr Zuckerberg ist ein asoziales Wesen, welches auf Geld – sehr viel Geld – aus ist und damit auf Macht.
– Dass Geld die Welt regiert ist schon lange klar.
– Die gesamte Digitalisierung ist ja nicht auf demokratischen Wege eingeführt worden, sondern sie wurde uns von einigen wenigen Menschen und deren Konzernen aufgezwungen.
Die Geschichte der asozialen Netzwerke zeigt, dass diese die Menschen entmündigen. Das hat mit Teilhabe nichts zu tun. Und Metaverse legt noch eine oder zwei Schippen drauf.
Das Problem ist doch, das diese Computer-Nerds den „normalen“ Bürgern immer 1000 Schritte voraus sind, und dass die Bürger überhaupt nicht mehr hinterher kommen.
Und noch schlimmer:
Selbst die Regierungen und deren Institutionen hecheln in der Gesetzgebung ums Datensammeln und dergleichen und der Umsetzung der Gesetze sowie der Ahndung von Verstößen ständig hinterher….
Autokrantische Regierungen machen sich die Plattformen wie z.B. Facebook oder tik tok zunutze, um ihr Volk zu unterdrücken oder Teile des Volkes zu verfolgen und zu vertreiben (Stichwort Myanmar)…..
Ich kann an der von Ihnen beschriebenen Zukunftsvision nichts Positives entdecken, die Risiken überwiegen ganz klar, auch wenn diese erst später auftreten. Wieso lernt der Mensch eigentlich nicht, Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft zu transferieren? Wir können doch nicht zulassen, dass Herr Zuckerberg uns dirigiert wie ein Zirkusdirektor, während z.B. der „visionäre“ Herr Musk die nächste Generation auf den Mars schießt!
Wie sagt doch der bekannte Psychiater, Herr Dr. Lütz, so richtig: „Hilfe, wir behandeln die Falschen“. Unbedingt lesen!
Mit freundlichen Grüßen
Heidrun Hampel