#251 | Was ist gut?

Die Auszeichnung Gute Bürgerbeteiligung 2024 wurde vergeben. Und von den Preisträgern können wir einiges lernen …

Ausgabe #251 | 24. Oktober 2024

Was ist gut?

Immer wieder habe ich das Vergnügen, in Jurys mitarbeiten zu dürfen. Das macht Freude. Vor allem wenn es um politische Teilhabe geht.

Fast immer lernt man wunderbare Menschen kennen, vor allem aber wunderbare Idee und Projekte.

Manchmal ist das mit einer Menge Arbeit verbunden. Hunderte Seiten von Bewerbungsunterlagen müssen gesichtet werden.

Doch der Gegenwert an Erkenntnisse sorgt dafür, dass man es gerne macht.

Was mich jedoch immer wieder herausfordert: Dass man irgendwann genau weiß wie das Ergebnis aussieht – es aber wochenlang nicht verraten darf.

Am vergangenen Freitag wurde zum zweiten Mal die bundesweite Auszeichnung „Gute Bürgerbeteiligung“ vergeben und heute können wir uns deshalb gemeinsam anschauen, wer zu den Preisträgern gehört.

Dabei ist diese Auszeichnung etwas ganz Besonderes: Sie konzentriert sich auf kommunale Bürgerbeteiligung – mit großem Abstand das Haupthandlungsfeld politischer Teilhabe.

Vor allem aber hat sie klare und transparente Kriterien.

Grundlage für die Auszeichnung sind die von der Allianz Vielfältige Demokratie entwickelten 10 Grundsätze Guter Beteiligung, die auf jahrzehntelangen Vorarbeiten aus Wissenschaft und Praxis beruhen.

Vergeben wird die Auszeichnung vom Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung e.V. in Kooperation mit dem Berlin Institut für Partizipation.

Bewerber müssen nachweislich möglichst viele der 10 Grundsätze in ihrem Beteiligungsprozess umgesetzt haben. Gute Beteiligung …

  1. lebt von der Bereitschaft zum Dialog.
  2. beginnt frühzeitig und verpflichtet alle beteiligten Personen.
  3. beachtet die Themen, die Akteur*innen und die Rahmenbedingungen.
  4. braucht klare Ziele und Mitgestaltungsmöglichkeiten.
  5. basiert auf Transparenz und verlässlichem Informationsaustausch.
  6. ermöglicht vielfältige Mitwirkung.
  7. erfordert die gemeinsame Verständigung auf Verfahrensregeln.
  8. braucht ausreichende Ressourcen.
  9. braucht eine sorgfältige und kompetente Prozessgestaltung.
  10. lernt aus Erfahrung.

In zwei Runden werden die eingereichten Projekte darauf überprüft. Zunächst vom Vorstand des Kompetenzzentrums, dann abschließend noch einmal von einer externen Jury.

Bei der Verleihung im Berliner Alex TV Studio am vergangenen Freitag durfte ich den Umgang mit diesen Kriterien noch einmal detaillierter einordnen.

Das Fazit lautet: Wir können nicht wirklich beurteilen, welches die beste aller möglichen Bürgerbeteiligungen ist. Wir können aber seriös erkennen, welche Beteiligung gut ist.

Letztlich wurden vier Projekte bzw. Kommunen ausgezeichnet:

Die Stadt Köln (NRW) erhielt die Auszeichnung für ihren Nachhaltigen Mobilitätsplan „Besser durch Köln“. Laudator Prof. Dr. Ortwin Renn, ehem. wissenschaftlicher Direktor des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit, Potsdam, nannte die Gründe: „Mit der Vielzahl an Beteiligungsformaten zur Erreichung unterschiedlicher Zielgruppen und Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen (in der Stadt und der Region) hat die Stadt ein Partizipationsdesign entwickelt, das weit über das durchschnittliche Mitwirkungs-Angebot anderer Städte hinausgeht und eine umfassende, gut abgestimmte und wirksame Form der Beteiligung realisiert. Besonders hervorzuheben ist auch, dass es den Kölnern gelungen ist, dieses komplexe Design zeitgerecht, qualitativ hochwertig und aufeinander abgestimmt umgesetzt zu haben. Insgesamt kann das Kölner Verfahren als beispielhaft und vorbildlich für die partizipative Erstellung von Mobilitätsplanungen angesehen werden.“

Die Stadt Sulz am Neckar (Baden-Württemberg) erhielt die Auszeichnung für ihren Klimarat „Sulz besser machen“. Laudatorin Prof. Dr. Andrea Walter von der Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung NRW, betonte, das Projekt sei „ein tolles Beispiel dafür, dass lokale Bürgerbeteiligung entscheidend dazu beitragen kann, dass Bürgerinnen und Bürgern sich als selbstwirksam wahrnehmen und mit ihrem Zutun Ergebnisse noch besser machen, als es Politik und Verwaltung allein könnten. Liebes Team aus Sulz, Sie zeigen mit ihren Aktivitäten, wie innovativ ländliche Räume sein können. Ich hoffe sehr, dass viele ländliche Regionen in Deutschland Sie als ein inspirierendes Beispiel wahrnehmen und von Ihren Erfahrungen profitieren.“

Der Verein Bonn im Wandel e.V (NRW) erhielt die Auszeichnung für seine Foren „Bonn4Future – Wir fürs Klima“. Die Laudatorin Dr. Esther Hoffmann vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung beeindruckte vor allem die Vielfalt der Formate: „In breit besetzen Klimaforen mit zufällig rekrutierten Bürger*innen, Stakeholdern und Verwaltung wurde ein Klima-Aktionsplan entwickelt, der aus Sicht der Teilnehmenden beschreibt, wie die Transformation zur klimaneutralen und lebenswerten Stadt gelingt. Das Beteiligungsverfahren leistet so einen Beitrag zur dringend notwendigen sozial-ökologischen Transformation. Denn nur gemeinsam und mit positiven Zukunftsbildern kann diese gelingen. Hier bietet Bonn4Future Inspiration für andere Städte und weitere zivilgesellschaftliche Initiativen.“

Die Stadt Brandis (Sachsen) erhielt die Auszeichnung für ihren Bürger- und Jugendrat zur Mobilisierung bürgerlicher Teilhabe nach Corona. Laudatorin Gisela Erler, ehem. Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, warb in ihrer Laudation noch einmal intensiv für das von ihr maßgeblich mit etablierte Format der Bürgerräte: „Bürgerinnen und Bürger müssen politisch genauso viel Einfluss bekommen wie Lobbyverbände. Wichtigste Voraussetzungen für eine gelungene Beteiligung ist dabei, dass die Politik Bürgerräte möglichst früh einbindet und sich verpflichtet, die Ergebnisse ernsthaft zu prüfen und eventuelle Ablehnungen öffentlich zu begründen.

Auch im kommenden Jahr wird die Auszeichnung wieder vergeben. Bewerbungen sind ab sofort möglich.

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