#300 | Die Konferenzinsel

In der Beteiligung gilt: Endgültige Lösungen sind selten nachhaltige Lösungen.

Ausgabe #300 | 02. Oktober 2025

Die Konferenzinsel

Sie ist nur knapp über 200m lang und hat gerade mal 6820 Quadratmeter.

Und doch ist sie ein historisches Unikum.

Die Fasaneninsel liegt mitten im Fluss Bidasoa, nicht weit von dessen Mündung in den Atlantik.

Die Grenzen zwischen Frankreich und Spanien verläuft genau in der Flussmitte. Aber eben nicht mitten durch die Insel.

Diese gehört zu Frankreich. Noch bis zum 31. Januar kommenden Jahres.

Ab 1. Februar 2026 wird sie spanisch sein. Für ein halbes Jahr. Denn am 1. August geht sie zurück an Frankreich.

Und das seit 350 Jahren.

Klingt verrückt, ist aber eine Lösung, mit der sich beide Staaten wohlfühlen. Denn die haben dort im Jahr 1659 nach einem blutigen Krieg Friedensverhandlungen geführt. Ein halbes Jahr lang, direkt auf der Insel – zu der dafür eigens zwei Brücken von den jeweiligen Ufern gebaut wurden.

Am Ende wurde ein Friedensvertrag geschlossen, die Grenze zwischen Frankreich und Spanien fixiert – und die Insel zu einem sogenannten Kondominium.

Seitdem ist die Insel der Fasanen auch als Konferenzinsel bekannt.

Das funktioniert nun seit mehreren Jahrhunderten. Länger als viele andere Grenzreglungen in Europa und der Welt.

Tatsächlich wissen wir aus der Konfliktforschung, dass eine nachhaltige Konfliktlösung oft eben nicht aus vermeintlich „endgültigen“ Regelungen besteht.

Sondern aus Vereinbarungen, die eine regelmäßige Konsultation und Zusammenarbeit beider Konfliktparteien fördern und fordern.

Denn Konflikteskalation beruht maßgeblich auf nicht stattfindendem Dialog. Konflikte also dauerhaft zu deeskalieren, kann deshalb kaum auf dialogfreien Lösungen basieren.

Ob Staaten wie bei der Fasaneninsel, ob Paarbeziehungen oder gesellschaftliche Konflikte, die partizipativ angegangen werden sollen:

Lösungen, die Dialoge beenden, sind selten von langer Dauer.

Deshalb kann es eben manchmal sinnvoll sein, Kooperationsanlässe in Lösungsstrategien zu integrieren.

Das gilt auch für Beteiligungsprozesse zu Konfliktthemen. Ob Stadtplanung, lokaler Klimaschutz, Bildungspolitik oder „große“ Themen wie Endlagersuche oder Gesundheitspolitik:

Ergebnisse zu finden, die fair und für alle Seiten tolerabel sind, ist gut.

Noch besser ist es, dazu einen Prozess aufzusetzen, der eine langfristige Kooperation nicht nur ermöglicht, sondern erfordert.

Die Schaffung von Begleitgremien, Beiräten oder regelmäßigen Konferenzen der Anspruchsgruppen liegt nahe. Doch ist allein noch keine optimale Lösung.

Denn solche Strukturen neigen dazu, im Laufe der Zeit einzuschlafen, wenn es keine prozessuale Notwendigkeit gibt. Sind sie beliebig, reine Plauderrunden ohne Aufgabe und Gestaltungsauftrag, dann haben sie ihr Ziel verfehlt (und meist eine kurze Halbwertszeit).

Sie brauchen (mindestens) eine klare Aufgabe. Eine, die niemand stellvertretend übernehmen kann. Eine, ohne die es nicht weitergeht. Eine, deren Umsetzung erkennbar Prozesse behindert oder stoppt.

Das kann durchaus ritualisiert sein, wie eine jährliche Einwohnerkonferenz, die den Klimaschutzbericht der Kommune diskutiert, bevor er vom Gemeinderat beschlossen werden kann.

Oder wie in der Endlagersuche die zu schaffenden Regionalkonferenzen, sobald die Auswahlregionen feststehen.

Oder Beteiligungsbeiräte, die die kommunale Vorhabenliste beschließen.

Es geht dabei weniger um Macht, sondern darum, dialogische Strukturen unersetzbar zu machen. Das können manchmal auch eher Rituale als Beschlüsse sein.

So wie auf der Fasaneninsel. Dort erfolgt der Wechsel der Zuständigkeit zwischen der französischen und der spanischen Flusspolizei jeweils mit einem offiziellen Zeremoniell samt Schlüsselübergabe. Und der jeweilige Kommandant erhält für 6 Monte den Rang eines Vizekönigs bzw. wie aktuell auf französischer Seite einer Vizekönigin.

Das kann man belächeln, für die beiden Nachbarländer funktioniert es.

So, wie es auch anderswo funktionieren kann. Dazu brauchen wir in einer Demokratie nicht unbedingt Vizekönige.

Aber Lösungen, die nicht nach vermeintlicher Endgültigkeit streben – sondern nach dauerhaftem Dialog.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
Weitere Ausgaben